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Die Kunst (in) der Abwesenheit – eine assoziative Annäherung

„Ich bleibe, aber weg.“ Elfriede Jelinek

Gerahmte Leerstellen
Nicht da.
Nicht mehr da.
Noch nicht da.
Nie da.

Abwesenheit markiert eine Leere, das Fehlen von etwas oder jemandem. Abwesenheit deutet hin auf räumliche Leerstellen, auf das Fehlen körperlicher Präsenz, auf Auflösung, Spuren, Fragmente, Atmosphären von Menschen, Körpern, Gegenständen oder Elementen. Doch Abwesenheit weist nicht nur auf einen Mangel hin. Zugleich liegen in der Abwesenheit Möglichkeits- und Zwischenräume für alternative (Be-)Deutungen, Repräsentanzen, Einschreibungen, Inhalte und Bilder. Abwesenheit zeigt auch vergangene, gegenwärtige, zukünftige, dekonstruierte und potenzielle Anwesenheit auf. Und Abwesenheit kann Dominanz und Machtverhältnisse offenbaren. Sie kann zum Wert werden, wenn sie Raum schafft für weitere Perspektiven, Repräsentanzen und für alternative Bedeutungen, Einschreibungen und damit möglicherweise auch für andere Machtverhältnisse.

Ist Kulturelle Bildung nicht auch Abwesenheit von Gewissheit?
Ist Kunst nicht auch Abwesenheit von Sicherheiten?

Künstlerisch kann Abwesenheit ein reizvolles Element sein, das einen erweiternden Blick auf ästhetische und gesellschaftspolitische Phänomene eröffnet.

Weglassen statt Illustrieren und Erläutern erzeugt Spannung, nimmt Rezipierende in ihrer Deutungsautonomie ernst, ermöglicht den Adressat*innen von Kunst, eigene Wahrnehmungen hinzuzufügen und individuelle ästhetische Erfahrungen auch abseits bisheriger Sehgewohnheiten zu machen. Hierin liegt eine Möglichkeit der Handlungsermächtigung – aus eher passivem Konsumieren wird aktives Mitgestalten. Für Vermittler*innen kann in der Abwesenheit ein partizipatives Momentum liegen, das den Teilnehmenden ihrer Angebote Möglichkeits- und Spielräume eröffnet, die über eine rezepthafte Deutung und Anwendung ästhetischer und handwerklicher Mittel, historischer Bezüge und Interpretationen hinausgehen.

Zu hinterfragen, zu benennen und sichtbar zu machen, wer über wen aus welcher, ausdrücklich auch abwesender gesellschaftlicher Position heraus spricht, gestaltet und entscheidet, ist ein maßgeblicher Beitrag zur macht- und diskriminierungskritischen Kulturellen Bildung. Perspektiven und Repräsentanzen nicht unreflektiert zu übernehmen oder gar zu ignorieren, zeichnet eine emanzipatorische Kulturelle Bildung aus.

Abwesenheit kann aufzeigen, dass das, was scheinbar selbstverständlich (anwesend) ist, eben nicht unbedingt gilt oder auf unbestimmte Zeit möglicherweise nicht mehr zutrifft. Gerade in dieser Abwesenheit lassen sich neue Räume im Dazwischen, Darüber, Dahinter oder Darin finden: ein entdeckendes, irritierendes, hinterfragendes und nicht zuletzt lustvolles Spiel in neuen und alten Möglichkeitsräumen. Macht das nicht Kulturelle Bildung aus?

Siehst …? Macht … dir? Und weshalb geht …? Riechst … sagte ….
Dieses Bild … eng und …. … fantastisch blau. … Verkörperung … ekelhafte … . … das sinnlos? … voll … zeitlich … .

Autor*in:
Sandra Anklam

Kurs-Tipp: „Partizipatives Theater von Rimini Protokoll“, 19.2. – 23.2.2024 und „Performatives Gestalten biografischer Spurensuche – Abwesenheit ist ein Ort“,
10.5. – 12.5.2024