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Gender und …

Gender und …

Interview mit Marty Huber

… Tanz?

In meinen Zusammenarbeiten mit Tanzschaffenden gab es früher immer die Auseinandersetzung, ob wir eine Körperlichkeit wiederfinden oder herstellen können, die sich abseits der Geschlechtervorstellungen bewegt. Das waren immer massive Diskussionen darüber, ob es einen Körper außerhalb der Repräsentation gibt. Also einen Körper, der nur Körper ist. Heute arbeite ich mehr mit dem Begriff der Natürlichkeit, der mir lange Zeit zuwider war, weil das Aufwachsen mit Sätzen wie „Das, was du bist, ist nicht natürlich“ eine Ablehnung erzeugt hat. Jetzt merke ich „Nein, eigentlich genau umgekehrt – die Natur liebt Diversität!“. Wir sind dabei, diese zu zerstören, aber de facto ist es so, dass es eine unendliche Vielfalt an Dingen, Farben, Geschlechtern und Auswüchsen gibt, die einfach natürlich sind. Varianz ist das natürlichste Prinzip und es ist egal, ob ich sie auf der Ebene der DNA, der Gender-Performance oder der Sexualitäten sehe.

Vor einigen Jahren hätte ich nicht gedacht, dass die Referenz auf Natur ein Vehikel wird, um Zweigeschlechtlichkeit aufzulösen. Da haben insbesondere die Inter-Communitys viel mit ihrer rechtlichen Durchsetzung von Nicht-Binarität geschafft, in der die Grenzen anfangen zu verschwimmen. Da geht es nicht darum, eine Transition zu machen – also von Mann zu Frau bzw. von Frau zu Mann zu werden, sondern einfach zu sein! Sozusagen als Postulat für das Spektrum einer Beweglichkeit!

… Migration?

Wenn ein Herrscher in Brunei darauf kommen kann, LGBTIQ zu kriminalisieren und sagt, sie sollen gesteinigt werden, dann zeigt sich darin deutlich die Vorstellung von Regieren durch Geschlecht. Das löst Migrationsbewegungen aus. Es ist eine extrem wichtige Frage, wie man damit in einem größeren historischen Bogen umgeht. Auf der einen Seite steht der Aspekt, dass wir Geschlecht als etwas verstehen, das nicht fix ist und es damit als migratorische Bewegung an sich sehen, die so etwas wie Shifting beinhaltet. Auf der anderen Seite die konkreten Körper, die wissen, dass sie in diesem Kontext nicht überleben können, weil sie durch ihre Uneindeutigkeit und Nicht-Heteronormativität in den Sog des Regierens kommen.

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Nein, eigentlich genau umgekehrt – die Natur liebt Diversität!
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… Bildung?

Wie bringt man die Menschen dazu zu sehen, dass Gender ein Spektrum ist? Dass Gender performativ hergestellt wird und eine Form des Regierens ist? Das ist, was ich an den Kreuzungen von queer, feministischen und identy-politics wichtig finde. Identitäten sollten eine strategische Zusammenfindung von Unterdrückten sein. Es ist zwar eine Identitätspolitik, die immer nur mit einem Unbehagen stattfinden kann, denn man erzeugt damit Kategorien, die sich in Regierbarkeit äußern. Aber sie ist eine Notwendigkeit, weil Menschen aufgrund von gewissen Markern unterdrückt werden und diese Identität performen, um sie im Idealfall zu überwinden.

Interview: Dr. Fabian Chyle

→ Marty Huber ist (Tanz-)Dramaturgin, Autorin, LGBTIQ-Aktivistin, queere Netzwerkerin, Wissenschaftlerin, Kulturschaffende, herausfordernde Denkerin und vieles mehr.

Foto: © Jeremy Jap