Genderfragen …
Ja Ja Ja Ja Ja, Nee Nee Nee Nee Nee – mit dem Klang der Stimme von Joseph Beuys im Ohr eine Kurzsuche nach Antworten auf die Frage: Ja, wozu, nein, wozu im Leben als Mensch, als Frau?
Genderfragen sind Haltungsfragen und Haltungsfragen sind Auskünfte über das Selbst-Bewusstsein. Der gerade oder leicht gebeugte Oberkörper, die entspannten oder leicht hochgezogenen Schultern, der aufrechte oder geneigte Kopf, die Hand- und Armhaltung. Außen wie innen?
Kulturelle Bildung heißt unter anderem, den Blick dafür zu schärfen, welches Rollen- und Selbstverständnis über das Bild vermittelt wird. Was erfahren Jungen auf dem Weg über bildliche Darstellungen darüber, wie Mädchen und Frauen „sind“, was erfahren die Mädchen darüber, wie Jungen und Männer „sind“?
Aufgabe Nummer eins: Untersuchen Sie Bilder von Männern und Frauen in Führungsrollen! Wie stehen und sitzen sie heute im Bild? Googeln Sie „Manager“ und „Fotos“ und klicken Sie auf „Bilder“. Schauen Sie sich die ersten 20 Bilder an und fragen Sie nach Gesamtsituation, Aktivität, Körperhaltung, Armhaltung, Kopfhaltung, Blickrichtung und Gesichtsausdruck. Was fällt Ihnen auf? Machen Sie eine Liste. Dann googeln Sie „Managerin“ und „Fotos“ und klicken auf „Bilder“. Schauen Sie sich die ersten 20 Bilder an und analysieren Sie nach eben diesen Kriterien. Wem trauen Sie Stärke und Lösungsorientiertheit zu? Wem würden Sie einen großen oder schwierigen Auftrag geben?
Aufgabe Nummer zwei: Suchen Sie Informationen/Bücher/Homepages zum Thema Körperhaltung und Körpersprache!
Aufgabe Nummer drei: Diskutieren Sie, ob Körpersprache eine Sprache ist, die man lernen, verlernen oder umlernen kann!
Einer der berühmtesten Peanuts-Comics spielt mit der Idee der bewussten Beeinflussung von Gefühlen durch Körperhaltung: „Wenn du deprimiert bist“, erklärt Charlie Brown, „dann ist es ungeheuer wichtig, eine bestimmte Haltung einzunehmen. Das Verkehrteste, was du tun kannst, ist aufrecht und mit erhobenem Kopf dazustehen, weil du dich dann sofort besser fühlst. Wenn du also etwas von deiner Niedergeschlagenheit haben willst, musst du so dastehen“ – mit gesenktem Kopf.
Körperhaltung und Gefühle hängen natürlich zusammen – aber was bedeutet diese Erkenntnis? Nützt die Aneignung eines Bewegungsre-pertoires im Außen, wenn das im Innen nicht stimmt? „Die Gesten deines Körpers müssen zu dem passen, was du sagst“ – so eine der „110 Regeln des Anstands und gegenseitigen Respekts in Gesellschaft und im Gespräch“ von George Washington aus dem Jahr 1745. Sich Gesten und Haltungen anzutrainieren, die dem eigenen Inneren nicht entsprechen, ist so etwas wie Lügen mit der Körpersprache. Irgendwann verrät man sich. Reflektieren statt Antrainieren ist der nachhaltigere Weg: Reflektieren über das Entstehen eigener Gesten, Haltungen und Gefühle – zum Beispiel mithilfe künstlerischer Mittel. Lust am Erkennen, Lust am Erproben eigener Ausdrucksformen, Lust am Entwickeln und Finden eines starken, weil in sich stimmigen Selbst: Dazu braucht es Unterstützung – auch durch Kunst und Kultur. „Kunst und Kultur machen aus halben Portionen ganze Persönlichkeiten“, hieß eine Kampagne der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) in den 1990er Jahren. Ein dazugehöriges Plakat zeigt ein Mädchen im Aktionsmodus, stark, strahlend und gleichzeitig in sich ruhend. Solche Bilder, bunt und lebendig sind sehr gute Argumente im Rahmen einer Genderdebatte. Sie polarisieren nicht, sie machen Identifikationsangebote. Ja Ja Ja Ja Ja.
→ Autorin: Irmgard Merkt, geb. 1946. Von 1991 bis 2014 Professorin für Musik an der Fakultät Rehabilitationswissenschaften der TU Dortmund. Vorsitzende des Trägervereins der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW seit September 2010.
Foto: © Marcel Voget / Sebastian Wegerhoff