Comics sind fast wie Fußball – Interview mit Comic-Autor Ulf K.
Ulf K. (*1969) ist Comiczeichner und Illustrator. 2004 wurde er mit dem Max und Moritz-Preis als bester deutschsprachiger Comic-Künstler ausgezeichnet. Er veröffentlichte unter anderem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und in der Kinderzeitschrift „Gecko“.
In manchen deiner Comics bekommt die Realität Risse und durch diese Risse scheint eine andere Wirklichkeit, vielleicht ein Traum. Welche Bedeutung hat das Surreale für dich?
Oft haben meine Geschichten etwas mit mir zu tun, aber ich stelle mich nicht gern in den Mittelpunkt. Also suche ich nach Wegen, dieses Gefühl oder das, was mir da passiert ist, in etwas Märchenhaftes, Surreales zu übersetzen.
Hast du dich so vom handlungs- oder auflösungsorientierten Erzählen gelöst und zu einer eher offenen Form gefunden?
Das kann gut sein. Martin Baltscheit hat mal zu mir gesagt: „Deine Geschichten haben am Ende nie eine Pointe.“ Ich habe es aber auch nie darauf angelegt.
Immer wieder ist der Tod ein Protagonist deiner Comics. Oft ist er ganz sympathisch, vor allem in „Der Anfang nach dem Ende“. Woher kommt diese wiederkehrende Beschäftigung mit dem Tod?
Ich finde ihn als Charakter einfach spannend. Er hilft mir, Dinge zu erzählen, die mir wichtig sind. In „Tango de la Mort“ gehe ich durch eine Bibliothek und jedes Buch, das ich aus dem Regal ziehe, ist von mir. Und dann kommt der Tod um die Ecke, lacht sich kaputt und erklärt mir, das seien all die Bücher, die ich in mir habe, aber ich hätte nicht genug Zeit, sie zu zeichnen. Und dann werde ich wach, setze mich an den Schreibtisch und fange an.
Wenn du überhaupt Sprechblasen benutzt, füllst du sie oft nur mit Symbolen. Warum diese Konzentration auf das Bildhafte?
Dafür gibt es zwei Erklärungen, eine eher profane und eine leicht intellektuelle, beide greifen ineinander. Einerseits habe ich das Lettering, also den Text in die Sprechblasen zu setzen, immer gehasst. Andererseits waren meine Geschichten schon immer recht einfach und meine Zeichnungen wurden immer reduzierter. Deshalb war es nur konsequent, auch auf Text zu verzichten. Ohne Text muss man einfach viel klarer in der Erzählung sein.
Verdienen Comics auch deshalb einen Platz in der Kulturellen Bildung, weil sie auf einem niedrigen sprachlichen Niveau ansetzen?
Ja, bei Leuten, denen das Lesen schwerfällt, ist die Hemmschwelle, Comics zu lesen, viel geringer. Gleichzeitig bieten Comics oft sehr viel mehr Inhalt als die sogenannten Erstlesebücher. Die Geschichten in Erstlesebüchern sind eher simpel, weil der Text natürlich so einfach sein muss. Die Leseanfänger*innen sind aber schon gefüttert mit viel opulenteren Geschichten, die sie vorgelesen bekommen haben, und sie merken den Texten für Erstleser* innen an, dass es ziemlich abgespeckte Erzählungen sind. Im Comic ist durch das Erzählen mit Bildern viel mehr möglich, die Geschichten können viel komplexer sein, ohne dabei aber mehr Lesekompetenz zu erfordern. Und es ist relativ einfach, in der Kulturellen Bildung mit Comics zu arbeiten – und zum Beispiel auch selbst Comics zu machen. Ein Stift, ein Blatt Papier … und mit wenigen Knicken entsteht ein kleines Heft. Comics sind fast wie Fußball – kannst du an jeder Ecke spielen, brauchst nur ’ne Büchse und zwei Mülltonnen als Tor.
Worauf dürfen sich die Teilnehmer*innen deines Kurses freuen?
Wir werden in spielerischen Übungen Figuren entwickeln, zum Beispiel indem wir verschiedene Reizwörter miteinander kombinieren. Daraus entstehen oft schräge Typen, über die wir dann Geschichten zeichnen und kleine Hefte daraus machen. Die Teilnehmer*innen werden sehen, wie leicht es ist, so etwas auch mit Kindern zu machen.
→ Kurs-Tipp: „Sternennächte und Superflora. Comics zeichnen mit Ulf K.“ 12.8. – 14.8.2022
Interview: Sascha Pranschke