KI – Die letzte Erfindung
Der Schauplatz in der nahen Zukunft hat es in sich. Berlin ist KI-Hauptstadt geworden, während die USA und China den Anschluss an die KI-Forschung zu verlieren drohen. Türen, die sich per Fingerabdruck öffnen lassen, Linsen, die die Kommunikation direkt über die Netzhaut abspielen, Drohnen, die Polizeiaufgaben übernehmen, selbstfahrende Autos, ein sprechender Kopf auf einer Anrichte, Augmented-Reality-Lichtschwertkämpfe im Wohnzimmer, ein singendes Hologramm in einer Bar – Berlin hat sich in einer smarte Hightech-Metropole mit unterkühltem Design verwandelt, in der das menschliche Geschlecht die einzige Schwachstelle in einer durchorganisierten Welt zu sein scheint.
Das Doku-Drama „KI – Die letzte Erfindung“ ist eine Mischung aus fiktionalen Spielfilmszenen mit dokumentarischen Einschüben, in denen KI-Forscher*innen die Szenen analysieren, in die aktuellen Diskurse rund um KI einbetten und Blicke in die Zukunft wagen. Dies sind im Einzelnen:
- Daniel Domscheit-Berg (Informatiker und Netzaktivist)
- Olga Afanasjeva (Chief Operating Officer GoodAI)
- Prof. Dr. Harald Lesch (Physiker und Philosoph)
- Yolanda Lannquist (KI-Beraterin)
- Prof. Dr. Christoph von der Malsburg (Neuroinformatiker und Neurobiologe)
- Patrick Levy-Rosenthal (Chief Executive Officer Emoshape Inc.)
- Prof. Dr. Antonio Krüger (Geschäftsführer Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz)
- Prof. Moran Cerf (Neurowissenschaftler und Wirtschaftswissenschaftler)
- Dr. Karina Vold (Technikphilosophin und KI-Ethikerin)
Die Geschichte selbst spielt auf mehreren Ebenen: Eine Game-Entwicklerin, die unfreiwillig ins Data-Mining-Geschäft hineinschlittert, ein Rechtsanwalt, der seinen Job an eine KI verliert, eine Regierungsvertreterin, die mit KI liebäugelt und eine KI-Expertin, die eine allgemeine KI von der Leine lassen will, um ihren Vater mit Innovationssprüngen in der Medizin zu heilen.
Entwertung menschlicher Fähigkeiten?
Der gruseligste Moment in diesem Doku-Drama entsteht, als die Tochter des KI-Forschers nicht mehr in die Schule gehen will, weil die Fragen der Menschheit ohnehin bald gelöst sein werden. Probleme wie Mathematik oder Sprachen sollten besser einer KI als einem Menschen übertragen werden. Der Traum der Transhumanisten, dass ein Chip im Kopf als Investition in die Zukunft alle menschlichen Probleme lösen könnte, zerschellt an den Vorstellungen einer Schülerin, die eine schlichte Kosten-Nutzen-Abwägung anstellt. Wozu also noch lernen? Kann im Angesicht einer Super-Intelligenz überhaupt noch Entwicklung stattfinden, wenn sie menschliche Fähigkeiten und Kenntnisse entwertet?
Kann KI eigene Ziele verfolgen?
Nach Harald Lesch ist die Grundidee von KI, „in der Maschine wichtige Funktionen des menschlichen Gehirns nachzubauen, also Lernen, Urteilen, Probleme lösen.“ Obwohl aktuell nur mit einer schwachen KI, die nur für eine Aufgabe trainiert wurde, gearbeitet wird, könnte sie in Zukunft menschliches Niveau erreichen und damit eine starke bzw. allgemeine KI werden. Die Fragen, die der Film diskutiert, liegen fast alle auf der dystopischen Seite. Etwa, was passiert, wenn die KI die Ziele der Menschen uminterpretiert oder eigene Ziele verfolgt oder Mittel einsetzt, an die bisher nicht gedacht worden ist? Besteht nicht die Gefahr, dass Sicherheitsmaßnahmen, die KI kontrollieren könnten, im Wettbewerb der Unternehmen und Nationen nicht immer die höchste Priorität haben?
KI wird zu einer Version von uns
Für den Neurowissenschaftler Prof. Moran Cerf besteht das größte Risiko einer starken KI darin, dass sie nicht viel intelligenter als die Menschen sein wird, weil „die KI nach unserem Vorbild gestaltet wird, aber nicht unbedingt nach der besten Version von uns. Da wir es sind, die die KI trainieren, wird sie sehen, dass wir rassistisch, dumm und voreingenommen sind. Sie wird zu einer Version von uns, die diese dunklen Seiten verstärkt.“ Harald Lesch befürchtet, dass eine allgemeine KI darauf kommen könnte, wer den Planeten so verhunzt hat. Darauf könnte sie mit der Auslöschung der Menschheit mithilfe von autonomen Waffensystemen reagieren.
Wie Tiere im Zoo
Gegen Ende des Doku-Dramas lassen die Filmemacher*innen eine Moderatorin folgende Frage stellen: „Ist es nicht so, dass wir im schlimmsten Fall von der KI wie Tiere im Zoo gehalten werden, also so, wie wir Menschenaffen halten?“ Der befragte KI-Forscher hält das alles für Schwarzmalerei und glaubt, das KI die letzte Erfindung sein wird, die die Menschheit noch selber machen muss. Es scheint so zu sein, als wenn die menschliche Schwäche die größte Gefahr ist, die im Zusammenhang mit der Entwicklung einer allgemeinen KI droht. Nicht nur die KI muss reguliert werden, sondern auch das menschliche Handeln, welches die KI entwickelt.
Eine Produktion von Gruppe 5 Filmproduktion, Köln im Auftrag des ZDF in Zusammenarbeit mit ZDF Enterprises. Erstausstrahlung: 6. November 2021 (3sat, 1 h 29 min) (Verfügbar bis 15. Dezember 2021)