Resilienz: Jenseits der Verzweiflung
„Stop! In the name of love.“ – Das klingt in diesen Zeiten wie ein verzweifelter Aufschrei. Krisen und Kriege überfordern alle. Zukunftspessimismus. Jugendliche sind besonders betroffen. Die Jugendtrendstudie 2024 der Hertie School bestätigt dies und zeigt ein fatales Muster, das sich bei den Europawahlen 2024 bestätigt hat: Die AfD wurde bei den 16- bis 29-Jährigen (Generation Z) die zweitstärkste Partei. Die dahinterliegende Angst ist vor allem materiell begründet: „Ich kann meinen Lebensstandard nicht mehr halten – Inflation, teurer Wohnraum, drohende Altersarmut.“
Ergänzen wir dies mit den Ängsten, die die Akteur*innen in der Kulturellen Bildung selbst haben, kommen noch Klimawandel und Kriege dazu, die Furcht vor einer gespaltenen Gesellschaft, die Sorge um die Demokratie in einer von Bots durchdrungenen Social-Media-Kommunikation und die Beobachtung des kulturellen Wandels durch KI.
Wie verstehen wir uns vor diesem Hintergrund? Was bedeutet Resilienz in diesem Kontext? Der Erziehungswissenschaftler Benjamin Jörissen versteht Resilienz in der Kulturellen Bildung als „die Bewahrung von Identität trotz Wandel, und zwar dadurch, dass Ressourcen auf kulturell anschlussfähige Weise aktiviert werden, so dass (wertebezogen) bedeutsame Antworten auf Krisen auf mehreren miteinander verflochtenen sozialen Ebenen geschaffen werden können“. Dazu müssen Menschen mit ihren Orten verwoben sein (rootedness). Sie müssen vorhandene Mittel und Fähigkeiten innerhalb einer Gemeinschaft vernetzen können und so soziale Kreativität entfalten (resourcefulness). Und sie müssen soziale Prozesse und Strukturen verändern und Alternativen aufbauen können (resistance).
Im Hinblick auf diese Herausforderungen müssen wir uns wohl von unserer Idee der autonomen Kunst, die spielerisch erfahren wird, verabschieden. Und wir müssen auf unsere Angebote (alle) genauer schauen. Um ein paar erste Fragen zu stellen:
- Welche Vorstellungen von Zusammenleben, lokaler Verwurzelung, Biografie und Erfolg vermitteln wir durch unsere Programme?
- Wie ist dabei das Verhältnis Individuum – Gesellschaft konzipiert? Wie ist der Umgang mit den Machtfaktoren?
- Wie wird Fortschritt gedacht? Werden zukünftige Generationen einbezogen?
- Welche Vorstellungen vom Verhältnis Mensch – Natur legen wir diesen zugrunde?
- Welche Vorstellungen vom Verhältnis Globaler Süden – Globaler Norden treten zutage?
- Welches Bild vom Menschen als Körper/ Leib wird transportiert? Wie ist der Umgang mit den Sinnen?
Autor*in: Dr. Ernst Wagner