„Meine Freiheit, deine Freiheit“ – Gedanken zu bösen Worten und der eigenen Verantwortung
Als Freizeitbeschäftigung empfahl er das Tauben-Vergiften, seine Heimatstadt liebte er ohne Wiener und die Bezeichnung „österreichischer Kabarettist“ beleidigte ihn gleich zweifach: Anarchist sei er, pflegte Georg Kreisler dann klarzustellen, und außerdem amerikanischer Staatsbürger, was er auch tatsächlich ab 1943 war. 1955 kehrte er nach Europa zurück und lebte an verschiedenen Orten in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Er stand fast immer quer zum Mainstream – nicht aus Prinzip, sondern aus Überzeugung. Political Correctness hätte er sicher als alberne Marotte abgetan. Er hatte ja gerade besondere Freude daran, Dinge zu sagen, die viele unkorrekt fanden. Am 18. Juli 2022 würde er seinen 100. Geburtstag feiern.
Kreisler war ein Wortkünstler am Klavier; virtuos in Sprache, Mimik und Gestik übte er harte Kritik an Gesellschaft und Politik. Seine Lieder und seine Programme tragen Titel wie „Die alten bösen Lieder“, „Lieder zum Fürchten“, „Als der Zirkus in Flammen stand“. Er war auf der Bühne u. a. gewalttätiger Unternehmer, Frauenmörder, Hausmeister, Schnulzensänger und parodierte jiddisch, schweizerdeutsch, wienerisch. Er bohrte mit Worten in Wunden, mit schwarzem Humor und tiefsinnigem Sprachwitz, und nutzte Worte, von denen heutzutage viele im Sprachgebrauch verpönt sind. Böse Worte …
Darf Kunst das? Gibt es Grenzen für das Kabarett und den guten Geschmack? Wer definiert sie? Und wieviel Freiheit hat Satire? „Fast jede“, würde Kreisler vermutlich sagen. Zumindest kann keine*r sie von außen durch formale Vorgaben beschränken. Die Verantwortung liegt bei dem*der Autor*in. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten. Vorausgesetzt, man streitet und redet miteinander …
Meine Freiheit muss noch lang nicht deine Freiheit sein!
Georg Kreisler: Meine Freiheit, deine Freiheit
Meine Freiheit: Ja! Deine Freiheit: Nein!
Meine Freiheit wird von der Verfassung garantiert Deine hat bis jetzt nicht interessiert! […]
Aber vorläufig ist nichts aus deiner Freiheitsambition.
Du hast noch keine Macht und keine Organisation!
Ich wär’ ja dumm, wenn ich auf meine Freiheit dir zulieb’ verzicht.
Darum behalt ich meine Freiheit. Du kriegst deine Freiheit nicht – Noch nicht!
Autor*in: Patricia Gläfcke